Fjell Femke zu Jeddeloh
Fjell Femke zu Jeddeloh
Literatur 2023
Fjell Femke zu Jeddeloh (*1995 in Bremen) lebt und arbeitet in Freiburg. Fjells Leben begann 1995 in Norddeutschland und war in der Kindheit von zwischen den Füßen verknoteten Schnürsenkeln geprägt. Fjell begann das Schreiben und verlor sich in aufwändig konstruierten Fantasy Romanen und ein wenig Zynismus. Fjell ging an die Universität und studierte den Ernst des Lebens. Nach dem Bachelor arbeitete Fjell in einem Workshop Kollektiv, in einem Lernprogramm und generell viel ohne Bezahlung. Im Anschluss an das Drama „Synapsen“ arbeitet Fjell nun am Roman „Blöße“.
Interview
1. Kannst du uns mehr über deinen geplanten Roman: „Blöße“ erzählen und welche Themen er behandelt?
Mein Roman »Blöße« setzt sich mit Sexualität und Beziehungsformen auseinander. Er hinterfragt gesellschaftliche Normen der Zwischenmenschlichkeit: Was für Bedürfnisse kann eine (Nah-)Beziehung erfüllen? Wie möchte ich Sex haben? Welchen Stellenwert hat Freund:innenschaft im Leben? Dabei geht es auch um das Tabu heute. Ich zeige, dass das größte Tabu heute nicht mehr im Bruch mit einer statisch vorgegebenen Moral liegt, sondern im Eingeständnis des eigenen Scheiterns an den Normen. Das erzählte Ich strauchelt darin, von der Leistungs- und Konsumgesellschaft geprägt zu sein, wie auch von Heteronormativität. Es führt Beziehungen mit anderen, die auf den Empfindungen eigener Unzulänglichkeit basiert, sowie den lückenfüllenden, treibenden Träumen voneinander. Dennoch hat das Ich den Wunsch, Beziehungen zu anderen und zu sich selbst zu gestalten. Es geht mir darum, zu zeigen, wo diese dynamische Selbstgestaltung von Beziehungen scheitert und wo sie zu hoffen gibt. Ich erzähle diese Themen antichronologisch und in einem Erinnerungsformat. Das erzählende Ich ist radikal ehrlich und fiktiv, mit einem Auge auf Details. Die Erinnerungsfragmente beziehen meist ein bis zwei Gegenüber ein – Freund:innen, Sexpartner:innen, Kernfamilie. Anhand dessen mache ich Fragen von kollektiver, freundschaftlicher und individueller Identität auf, in Zusammenhang mit körperlichem und emotionalem Sein.
2. Wie gehst du bei so intimen Themen mit der Diskrepanz zwischen Öffentlichkeit und Privatem; zwischen Realität und Fiktion um?
Mit der Aufweichung der Grenze zwischen Privat und Öffentlich verfolge ich einen politischen Zweck. Ich denke, einige Bereiche der Literatur waren schon immer dazu da, die tiefsten Momente des Privaten in eine Teilöffentlichkeit zu holen, um zu sagen: Du bist nicht allein mit diesem Thema. Ich denke, dass Themen, die einsam machen, insbesondere Beziehungsthemen, eine Öffentlichkeit bekommen MÜSSEN - mehr, als „nur“ durch mein still-heimliches Lesen eines Buches, über das ich danach nicht rede. Ein Großteil der Gesellschaft hat ein schwieriges Verhältnis zu Sex, oder keinen Sex. Ein Großteil der Gesellschaft leidet an Vereinsamung durch die Oberflächlichkeit von Freund:innenschaft, weil es weit verbreitet immer noch als eine Belastung gilt, sich zu weit zu öffnen. Das kann nicht frei von einem politischen System gedacht werden, das diese Mechanismen vorstrukturiert und verstärkt. Darüber muss gesprochen werden. Natürlich lassen sich solche Feststellungen nicht auf alle Menschen beziehen, aber genau deshalb lohnt es sich, einzelne Geschichten darin anzugucken und zu erzählen. Dadurch gebe ich Ansätze, sich selbst zu verstehen, oder Ideen, es selbst anders zu versuchen. Funktionierende, stabile zwischenmenschliche Beziehungen sind meines Erachtens die Grundlage dafür, kollektive Verantwortung erkennen und wahrnehmen zu können - kollektiv auch im Sinne einer gemeinsam zu erhaltenden Welt. Dafür muss ich aber da ansetzen, wo ich mich befinde, nicht da, wo ich sein will: bei einem Ich mit großen Baustellen und der Frage, wie ich lieben und geliebt werden kann, ohne mich dafür zu hassen, nicht alle diese Baustellen beheben zu können - sie aber gleichzeitig in meine Beziehungen einbringe. Zudem ist mir das Erzählen von queeren Beziehungen wichtig.
3. Beim Planen eines Romanes, hast du bestimmte Strukturen die du verfolgst?
Nein. Ich orientiere mich an dem, was ich im Schreiben wichtig und gut finde. Ich habe da je nach Textart einige Kriterien für, die sich aber auch oft erst auf der Grundlage eines eher unbewussten Schreibprozesses ergeben. Meist schreibe ich zuerst ohne konkreten Plan los und schaue, was für eine Richtung das annimmt. Erst dann sehe ich mir die Themen an und überlege, nach welchen Ansprüchen in ihn verändern möchte. Danach gehe ich Kriterium für Kriterium durch und passe den Text daran an oder verwerfe ihn, wenn sich die Grundlage dafür nicht eignet. Ich überarbeite meine Texte um ein Vielfaches.
4. Planst du schon weitere Bücher oder Projekte im Laufe deines Stipendiums?
Nein. Bis zum Ende des Stipendiums wird erst mal das Grundgerüst des Romans stehen. Parallel zu den Verfeinerungen werde ich dann auf Verlagssuche gehen.