Sophie Lichtenberg
Sophie Lichtenberg
Darstellende Kunst 2023
Sophie Lichtenberg (*1989 in Hamburg) lebt und arbeitet als freie Künstlerin und Szenografin in Mannheim. Sie ist Teil des Kollektivs Theater Performance Kunst RAMPIG sowie des künstlerischen Forschungs- und Regieduos Langenfelder & Lichtenberg. 2017 schloss sie ihr Studium als Diplom-Szenografin mit Auszeichnung an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe ab. In ihren Arbeiten und Räumen entwickelt sie Konzepte und Installationen, häufig für Performances, arbeitet ortsspezifisch, beschäftigt sich inhaltlich mit und erprobt sich praktisch an partizipativen und grenzüberschreitenden Erfahrungen in Kunst und Theater.
Interview
1. Kannst du uns mehr über deine Erfahrungen und Projekte im Bereich der Szenografie und Darstellenden Kunst erzählen, zum Beispiel über deine Arbeit als Teil des Künstler:innenkollektivs RAMPIG?
Als Szenografin bin ich vielseitig in künstlerische Projekte involviert. Mal durch die inhaltliche Setzung und Konzeption, mal ausschließlich für die Erarbeitung und Umsetzung der visuellen Ebene mit Fokus auf Raum und Kostüm, mal organisatorisch, mal politisch. Manchmal überkreuzen sich die künstlerischen Disziplinen, ich erlaube mir im Medium und aber auch im Ergebnis flexibel zu sein. Ich zehre von Begegnungen mit Menschen und ihren Räumen. Nicht nur inhaltlich, sondern auch auf visueller Ebene. Die Kollaboration ist für mich ein Schlüsselkriterium in meiner Arbeit. Die Vernetzung und der Austausch von Arbeitserfahrung und das Teilen von Expertisen innerhalb der Szene ist essenziell. Gemeinsam unterwegs, stolpert es sich über vieles. Der Dialog hilft, sich nicht in Kleinteiligkeit zu verlieren.
Als Teil des Künstler:innenkollektivs Theater Performance Kunst RAMPIG arbeite ich in engem Austausch mit meinen Kollektivschwestern an der inhaltlichen, der räumlichen und grafischen Konzeption, der damit verbundenen Planung, Organisation und baulichen Umsetzung. Wir sind ein Team aus circa 15 Personen, die seit Jahren zusammenarbeiten und uns im künstlerischen Prozess Vertrauen schenken. Hinzu kommen Begegnungen mit weiteren Positionen vornehmlich aus der Bildenden Kunst, die unsere interdisziplinär und multimedial bespielten Rauminszenierungen ergänzen. Wir setzen uns gegenseitig Impulse, reagieren auf Details im Raum, auf Licht, Farben, auf Gerüche, auf Beschaffenheiten, darauf, wie sich der Körper durch einen Ort bewegen kann. Ein Sound inspiriert mich für eine Installation, diese wiederum den Text und so weiter. Wir greifen künstlerische Setzungen unserer Kollektivschwestern auf und arbeiten damit weiter. So füllen sich Räume, Texte, Sounds und Inhalte, funktionieren an unterschiedlichen Orten unterschiedlich, sind nie ganz gleich. Wiederaufnahmen münden in Umarbeitungen und gänzlich neuen Arbeiten. Wir arbeiten mit dem, was wir vorfinden und hinterlassen Spuren.
2. Wie verbindest du deine künstlerische Arbeit mit anderen Bereichen wie Wissenschaft und Technologie und welche Möglichkeiten siehst du darin, neue Ausdrucksformen zu schaffen?
Vieles geht auf Details zurück. Auf Beobachtungen, auf Nebensätze und Irritationen, auf daraus entstehende Fragen, die einen ganzen Schwall weiterer mit sich bringen und dem drängenden Bedürfnis danach ein Gespräch dazu zu eröffnen. Dabei geht es in erster Linie nicht immer unbedingt um den Wunsch nach einer künstlerischen Arbeit. Häufig ist erst mal nicht ganz klar, wo die Reise hingehen wird. Ich habe Fragen und ich möchte so etwas wie einer Antwort näherkommen oder sie zumindest mithilfe verschiedener Perspektiven beleuchten. Dazu brauche und möchte ich den Austausch auch aus verschiedenen Kompetenz-Bereichen. Ich mache künstlerische Recherchen unter Beobachtung vermeintlich kunstfremder Sachverhalte und Arbeitsfelder. Treffe Menschen aus verschiedenen Bereichen, so auch Wissenschaft, Technologie und Handwerk und lasse die Auseinandersetzung mit ihren Themen und Materialien in meine Arbeiten einfließen. So auch als Teil von Langenfelder & Lichtenberg. Menschen, die mir eine Geschichte schenken, die mich in ihre Welt mitnehmen, ihre Arbeitsprozesse offenlegen, erzählen sehr viel mehr, als Ihnen manchmal bewusst ist. Ich fragmentiere meine Beobachtungen, mache Schnittstellen ausfindig und erstelle eine Sammlung, ein eigenes kleines Archiv, aus dem ich eine neue Arbeit baue oder ein Kooperationsprojekt plane. Ich verfolge nicht zwingend das Ziel, dass das Ergebnis meiner künstlerischen Ausdrucksform für alle lesbar ist, es soll erfahrbar werden und mir liegt viel daran, parallel dazu den Rechercheweg offenzulegen. Häufig als Print lässt sich im Nachgang in die Verästelungen eintauchen. Im besten Fall auch mit Witz.
3. Kannst du uns etwas über deine Adaption der Novellensammlung »Dekameron« von Boccaccio erzählen?
Dazu ist es nicht gekommen. Stattdessen habe ich mit tollen Künstler:innen bereichernde Projekte im Stadttheater und in der freien Szene realisiert, zuletzt auch als Teil von RAMPIG: Im Herbst/Winter 2023 nahmen wir uns Hans Christian Andersens Märchen »Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern« an oder um einen Ausschnitt der textlichen Adaption meiner Kollektivschwester und Autorin Lea Langenfelder zu zitieren: »Ich sage, ich bin das kleine nette Mädchen mit den Schwefelhölzern. Ich erinnere mich an meine Mutter. Ich bin: das erste, das zweite, das dritte, das vierte Kind. Oder eine der verschüttgegangenen im Dazwischen. [...] Ich dreh den Hahn auf und setze hier alles unter Wasser. Ich lass das Becken richtig volllaufen und dann stürze ich mich Hals über Kopf ins Spaßbad. Hals und Beinbruch, Freunde, Hals und Beinbruch.« Es entstand eine performativ und installativ bespielte Inszenierung in einem Leerstand im Mannheimer Industriegebiet und eine Erzählung rund um Brandmarkungen und Brandspuren weiblicher, transgenerationaler Geschichten.
4. Welche Projekte hast du für das Jahr 2024 geplant?
Im Jahr 2024 tauche ich ab in eine fiktive Agentur für Utopien. Mit einer Recherche-Residenz zum Theaterfestival »Schwindelfrei« erforschen wir, ein interdisziplinäres Team bestehend aus Ricarda Walter, Friedrich Byusa Blam und mir, bauliche Utopiegeschichte in Mannheim und fragen nach Bestandspotenzial und Transformationsdrang. Untersuchen Versatzstücke utopischer Bauwerke und streben den Versuch an, Manifeste zu destillieren. Die Agentur birgt Überbleibsel in Stein gemauerter Visionen und produziert neue Utopien auf den Ruinen alter. Im Herbst soll eine bespielte Sound-Installation folgen. In einer weiteren Arbeit grabe ich mich in die Texte und Projektidee von Seda Keskinkılıç durch Wirrungen altarabischer Mythologien, durch Trümmer und Überreste, Bruchstücke und Fragmente gelebter Leben. Im Zusammenspiel mit Videos und Fotografien von Aslı Özdemir häufen wir Überbleibsel zusammen und lassen uns von der Künstlichen Intelligenz S.E.D.A durch eine performativ bespielte Sound-Installation führen, zu der ich unseren Atelier- und Projektraum COOL POOL in eine aufgerissene Zwischenwelt verwandle.
Und was sonst so kommt, wird sich zeigen. Mal schauen, wie die Winde wehen.