the_hardes_word_full.mp4
artist video, Mini-DV, 13:00 min
videographer: Cécile Kobel
protagonist: Judith Milz
concept: Moritz Jähde, Judith Milz

Judith Milz: „feste feiern wie sie fallen“– 23. 01. 2021

In der Ausstellung „feste feiern wie sie fallen“ geht es eigentlich um die Auseinandersetzung mit deutsch-deutscher Geschichte und deren Verhandlung anhand von Vorschlägen antizyklischer Gedenkkultur. Ausgangspunkt sind Ideen von Inkorporation, Metabolismus und Ummantelung. Es sind einfache Herangehensweisen privater Natur, bspw. die, Abstand zu gewinnen, Erinnerungsmomente eigenständig zu kreieren oder sich in das Fell eines anderen zu begeben. Ihnen inhärent sind Fragen über Zuständigkeiten und Deutungshoheit.

Anlässlich einer Pandemie, wegen der der Aufenthalt in Innenräumen nicht geboten ist, wurde die Ausstellung ausschließlich für das Außengelände der Kunststiftung – fürs Freie – konzipiert. Mit drei Ausstellungseröffnungen über den Zeitraum der Ausstellung sollte nicht nur äußerlichen Umständen Sorge getragen werden durch die Reduzierung des Publikumsverkehrs, sondern gleichzeitig auch ein fluides, sich änderndes Ausstellungskonzept umgesetzt werden. Wegen ebenjener Pandemie konnte die Ausstellung letztlich dennoch nicht eröffnet werden.

In einem so verschobenen Kontext ist die Realität der Ausstellung eine andere als vorerst angenommen: Die einzelnen Objekte, die man zusammen mit Besucher*innen normalerweise Ausstellung nennt, sind vorerst eine Ansammlung entkontextualisierter Dinge im Außenraum. Auch mein Verhältnis zu „feste feiern wie sie fallen“ hat sich geändert: Konzipiert waren die Objekte, und auch das fluide Ausstellungskonzept (mit sich verändernden Parametern) auf Basis einer Zur-Kenntnisnahme-des-status-quo überhaupt, sprich ausgehend von der Präsenz und Interaktion von Besucher*innen. Ohne sie bekommt das Wort Einzelausstellung eine ganz neue Dimension. Wird das Fest auch gefeiert, wenn keiner hingeht?

Erweitert um den Umstand alleinige Betrachterin meiner Arbeiten zu sein hat die Arbeitsrealität der Ausstellung als Entität und mein Umgang mit dieser Situation einen unerwarteten Raum eingenommen. Änderungen der Ausstellung hätten sich im Verhältnis zu den Besucher*innen ergeben, die in den Ausbau und Umbau der Objekte eingeflossen wären – eine Realitätsüberprüfung, die den Allmachtsanspruch eines einmal in die Ausstellung gesetzten Objekts formal behandelt und als Versuchsaufstellung infrage gestellt hätte. Welche Arbeit muss man leisten um Jubiläen trotzdem so zu feiern wie sie fallen, in einem Prä-status-quo, einer Feier ohne Besucher*innen? Die Idee eines „eigentlich“ löst sich auf in einem Kontext, an dem man sich abarbeiten, und dem man manchmal auch zuarbeiten kann, changierend zwischen Fragen von Aufwand, Sichtbarkeit und Verhältnismäßigkeit.

Ich komme nicht umhin auch diesen Zustand, einer sicher geglaubten Strategie, die letztlich nicht zum erhofften Ziel führte – einer regulierten Öffentlichkeit, in der die Objekte, und die ihnen zugrundeliegenden Geschichten sichtbar und wirksam werden können – als Teil der inhaltlichen Beschäftigung zu sehen. Die Feste sind schon da, man muss nur lernen sie richtig zu feiern.

(Judith Milz, 16.12.2020)

Disclaimer:

Das Video dauert eigentlich 15 Minuten. Im zweiten Teil, nach der Ausstellungseröffnung sind aufgrund technischer Mini-DV Probleme 3 Minuten verschwunden. Im Folgenden hat die Videographerin Cécile Kobel diesen Teil aus dem Gedächtnis nachgeschnitten.

 

  1. Dezember 2020, ca. 17:30-18:30

the hardes word, missing takes

 [close up auf oberstes Brett von Marmeladenregal]

  1. streicht mit der Hand über das oberste Regalbrett um die Marmeladengläser herum. Sie hinterlässt eine Spur in der Staubschicht.

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 [close up auf J.’s Hände]

  1. öffnet eine 0.2 Flasche Henkell-Freixenet Sekt (Drehverschluss), schenkt sich ein Glas (Römer) ein und prostet sich selbst zu.

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 [medium long shot to very long shot auf J.’s Auto]

  1. fährt aus der Einfahrt der Kunststiftung raus, den langen dunklen Weg entlang, die roten Rücklichter erhellen die Büsche und Mauern am Wegrand, am Ende des Weges sind es nur noch kleine rote Punkte. J. biegt rechts in die Hillerstrasse ab. Der Weg bleibt im Dunkeln zurück.

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 [medium long shot auf J. mit Teich im Hintergrund, Stadtzentrum Stuttgart]

  1. bricht kleine Stücke von einem in Alufolie eingewickelten alten Stück Brot ab und wirft sie in die Dunkelheit, den Teich. Die Enten in der Mitte vom Teich bleiben unbeeindruckt. Man hört sie schnattern.

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[long shot auf J. von hinten vor dem Teich, auf dem nur schwer als weiße Flecken erkennbar, die Enten schwimmen.]

  1. schmeißt noch immer kleine Brotkrumen ins Wasser, obwohl keine Ente näher kommt. Bis nichts mehr da ist, wirft sie Krumen.

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 [medium long shot auf J. auf der Bank unweit vom Teich sitzend.]

  1. öffnet ihr Bifi, Beine überschlagen, sich anlehnend, erschöpft.

[zoom to close up auf J.’s Hände, die Bifiwurst zum Mund führend]

  1. isst in wenigen bissen die Bifiwurst. Blick ins Leere.

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 [long shot aus der Frontscheibe auf die Autobahn.]

Die Mittelstreifen auf der Autobahn glänzen im Scheinwerferlicht. J. fährt heim.

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[close up auf J.’s Hände to medium long shot]

  1. versucht einhändig eine Tüte Zuckererdbeeren von Haribo zu öffnen, mit der anderen Hand lenkt sie, den Blick auf die Straße gerichtet, müde.

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 [close up auf J.’s Gesicht]

  1. schiebt sich Zuckererdbeeren in den Mund. Eine nach der anderen. Blickt gerade aus auf die Straße, glasige Augen.

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 [long shot aus der Frontscheibe auf die Autobahn.]

Bunte verschwommene Lichter in der Ferne. Im Radio singt Ray Conniff zusammen mit den Ray Conniff singers „Ring Christmas Bells“.

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 [close up auf Armatur]

  1. fährt in ihre Straße ein, bremst, stellt den Motor aus.

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