Heidi Herzig
Heidi Herzig
Stipendiatin Bildende Kunst 2022
Heidi Herzig (*1983 Dresden) lebt und arbeitet in Karlsruhe. Sie studierte Germanistik und Angewandte Kulturwissenschaft an der Universität Karlsruhe sowie Medienkunst und Szenografie an der HfG Karlsruhe. Als ihr Alter Ego, der gleichnamigen Schlagersängerin Heidi Herzig, performte sie auf dem Rheinfahrgastschiff MS Karlsruhe und verbrachte nach ihrer Schlagertournee zu ihrem Album „So wie Du“ neun Monate im Kloster in einem erfundenen Orden „San Franziska“, um sich vor dem turbulenten Sturm der Öffentlichkeit zurückzuziehen.
Interview
Wie kamst du zur Idee der fiktionalen Schlagersängerin Heidi Herzig?
Bewusst geworden ist mir die Schlagermusik und Szene in einer Verpackungsproduktion auf dem Land. Dort löste ich zur Nachtschicht einen älteren, von dort stammenden, Herren ab. Im Radio hatte er einen Schlagersender eingestellt und so fragte er jedes Mal, ob er umschalten solle. Ich blieb auf der Frequenz und konnte erleben was in den Musik-Stücken eigentlich verhandelt wird. Später bemerkte ich in einer LKW-Produktion, dass die Lieder wie eine Art Code und Trigger funktionieren können. In einer anderen, hauptsächlich weiblich besetzten Produktion, unterhielt sich das Personal viel über eine bestimmte Fernsehserie und dann tauchte in meinen Zeichnungen eine Schlagersängerin und Schlagertextzeilen auf. Später, an einem Abend im Winter 2018 fuhr ich heulend auf dem Fahrrad 8x um die Karlsruher Pyramide auf dem Marktplatz. In der letzten Runde beschloss ich das Schlagerfeuer-Projekt. Gestaltwandlung ist Teil meiner performativen Praxis und Heidi Herzig eignet sich hervorragend als Name für eine Schlagerfigur (=Objet trouvé).
Welche Bedeutung hat Schlager für dich?
Die dreiteilige Schlager-Serie ist Bestandteil einer übergeordneten mixed-media Sammlung mit dem Titel ANNA. Darin befinden sich die (noch fehlenden zwei von drei) Musikalben (CDs), welche jeweils auf der letzten Seite eines Heftes angebracht sind. Ich probiere hier aber auch in einer bunten Klang- und Erscheinungswelt an der Schnittstelle von Emotion, Humor und Sachlichkeit herum.
2020 hast du für mehrere Monate in einem Kloster gelebt. Wie hat sich das auf deine Arbeit ausgewirkt?
Die Residency war begleitet von der Pandemie ('20-'21), so dass ich hauptsächlich alleine im Gebäude war. Dadurch konnte ich der Installation des Areals und ihrem Sound nachspüren. Ich vermute, dass meine mitgebrachten Zimmerpflanzen durch die Schwingung der Glocken, des Bachrauschens und der Chorproben im Garten viel besser wuchsen. Das Thema der Schwingungen und des Non-Verbalen hat sich in dieser Zeit ins Zentrum gerückt. Viel Unsichtbares ist sichtbar geworden. Es war der perfekte Ort (Bachwasser, Garten, Wohnraum, Werkstatt) um eine Autarkie zu simulieren. Und, so entstand die Arbeit San Franziska–Bora Bora, eine neue Ordnung, in die sich die Schlagersängerin Heidi Herzig nach ihrer So wie Du-Tournee ungesehen zurückgezogen hatte.
Was planst du während deines Stipendiums?
Momentan lerne ich einen Text auswendig, welcher mit Sound vom Künstler Ben Öztat begleitet und im Herbst am Karlsruher Rheinhafen gesprochen wird. Einige Zeit verbringe ich mit der Schlagerfeuer-Serie und arbeite an den Skizzen und Libretti zum zweiten Programm, Recherche-Ausflüge werde ich für die Musikkompositionen unternehmen müssen. Zum Podcast My art don't cost a thing? vom Bündnis für eine gerechte Kunst– und Kulturarbeit Baden-Württemberg wird ein kleines Tontext-Stück entstehen. Eine Performance als ortloses Museum werde ich im Sommer in Fürth in der Fußgängerzone stattfinden lassen. Am 23. September eröffnet in Stuttgart die Gruppenaustellung ghostnotes im Gustav-Siegle-Haus, die durch die Kunststiftung Baden-Württemberg zustande kommt. Mit dem Schlagersänger José entsteht ein Duett, das Anfang Dezember veröffentlicht werden soll.