
HuM-Collective

HuM-Collective
Stipendiat:innen Bildende Kunst 2023
Die Arbeit des HuM-Collective (gegründet 2014), bestehend aus Hannah Häußer und Maximilian Borchert, mäandert durch die verschwimmenden Zwischenräume, die Design, kulturelle Arbeit und künstlerische Forschung verbinden können. In ihrer Praxis widmet sich das Kollektiv der kausalen Beziehung von Entwurf und Aggression. Häußer und Borchert studierten von 2009 bis 2018 Kommunikationsdesign an der staatlichen Akademie der bildenden Künste Stuttgart. Seit 2018 leiten sie den Stuttgarter Kultur- und Projektraum HuMBase. Von 2021 bis 2022 waren Stipendiat*innen an der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart sowie von 2022 bis 2023 an der Cité Internationale des Arts Paris.
Interview
1. Was bedeutet es für euch im Kollektiv zu arbeiten?
Wir arbeiten nun bereits seit 2014 ausschließlich als Kollektiv zusammen. Die Entscheidung, uns schon während unseres Kommunikationsdesignstudiums zu gründen, rührte daher, dass wir uns dem in Lehre und Praxis kultivierten Verständnis von Design – als monoperspektivisch-genialen Moment Einzelner – entgegen entwerfen wollten. Die Arbeit im Kollektiv ist für uns dabei nicht gleichzusetzen mit beispielsweise der Zusammenarbeit innerhalb eines Teams oder eines Studios, in welchen die Arbeiten von verschiedenen Akteuren in Form gefasst und optimiert werden können – die einzelne Position jedoch an eine Person gebunden bleibt. Uns hat vielmehr die Aussicht auf eine Organisationsweise zur Gründung des HuM-Collectives geführt, in der es uns nach außen möglichen schien, die Einzelpositionen aufzuweichen und gemeinsam als eine Größe aufzutreten. Nach innen erlaubt uns die kollektive Arbeitsweise wiederum, Kooperationspartner*innen einzuladen, Teil von uns zu sein – sei es auch nur temporär – um im Organismus des Kollektivs ohne Machtgefälle und auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. Wir müssen jedoch feststellen, dass kollektive Arbeit in diesem Sinne vor allem bedeutet, sich auf Individualinteressen ausgelegten Strukturen entgegen zu entwerfen und dabei nicht allein zu scheitern.
2. Wie verbindet ihr freie Kunst und soziologische Forschung miteinander?
Sei es dem Umstand geschuldet, dass sich unsere Arbeit rückblickend recht transdisziplinär äußert oder aus Angst davor, anmaßend zu klingen, tun wir uns schwer, unser Schaffen Disziplinen zuzuordnen. Der Bezugsrahmen liegt jedoch, unseren Wurzeln im erweiterten Designbegriff entlehnt, in der theoretischen wie auch praktischen Untersuchung von Entwurfsprozessen soziokultureller Strukturen. Die beiden Pole – also das praktische wie auch das theoretische – versuchen wir gleichberechtigt und wechselwirksam zu bearbeiten. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich die praktischen Arbeiten aus unserer diskursiven, theoretischen Arbeit herausschälen, nur um dann wiederum den gedanklichen Unterbau zu bereichern, welches uns zu weiteren Iterationen führt. Dabei tut es für uns nichts zur Sache, ob die Impulse, die es benötigt, eine Arbeit umzusetzen, intrinsisch oder von außen an uns herangetragen sind, da sie sich grundsätzlich in den Gedankenkosmos einordnen und somit weiteres Arbeiten, sei es forschend oder darstellend bedingen. Unser künstlerischer Ausdruck, wenn wir ihn so nennen möchten, ist somit Teil der soziologischen Forschung und umgekehrt.
3. Welche Rolle spielt das Konzept des „Ortbezuges“ in eurer Arbeit, insbesondere auf Stuttgart als Standort?
Stuttgart als solches spielt für uns keine übergeordnete Rolle. Die Bezugspunkte, die wir hier vorfinden, oder die wir uns erarbeiten durften jedoch schon. Ein wichtiger Aspekt unserer Forschung ist die Untersuchung der Aggressivität im Entwurf – also wie wir als Entwerfende für und somit über andere entscheiden. So ist es für uns nur schwer damit zu vereinbaren, einfach ins Ungewisse zu arbeiten, an Strukturen anzuknüpfen beziehungsweise in sie einzugreifen, ohne sie zu verstehen oder uns zumindest tiefer mit ihnen zu beschäftigen. Zwar lässt sich eine Arbeit, die in eine Gesellschaft wirken soll, in der Theorie übertragen, in der Praxis nehmen wir sie jedoch als übergriffig wahr, was gegen eine Loslösung vom Ort spricht und uns dazu führt, im Entwurf sehr stark auf diesen Bezug nehmen zu wollen.
4. Woran arbeitet ihr aktuell und welche Pläne habt ihr während dem Stipendium?
Im Moment führt uns unsere diskursive Reise durch die Möglichkeiten der intertemporalen Inbesitznahme von Entwürfen als Gegenentwurf zu einem Einnehmen oder Aneignen derselben. Dies wirft wiederum Fragen des Eigentumsrechts von Entwerfenden an ihrem Entwurf sowie nach den Nutzungsrechten der vom Entwurf Betroffenen auf. Vor allem, wenn es sich um entworfene Strukturen handelt, die einer kulturellen Nutzung dienen sollen und sich im fließenden Übergang zum Gemeingut verorten. Wir finden es äußerst spannend, hier die Machtposition der Eigentümer – also Entwerfenden – zu hinterfragen und dem Entwurf selbst Rechte zuzusprechen.
Wir tun uns jedoch schwer zu prognostizieren, wie sich das am Ende äußert und an welchem Punkt unserer Überlegungen eine Veröffentlichung Sinn ergibt. Teile davon sollen aber in eine Ausstellung im CCFA (Stiftung Centre Culturel Franco-Allemand Karlsruhe) Ende November fließen.