Katarina Baumann
Katarina Baumann
Stipendiatin Bildende Kunst 2021
Katarina Baumann (*1985 in Stepnogorsk, Kasachstan) lebt und arbeitet in Karlsruhe und Wien. Sie studierte Freie Kunst an den Staatlichen Akademien der Bildenden Künste Karlsruhe sowie TransArts im Master an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. Sie versteht ihre künstlerische Tätigkeit in erster Linie als Beziehungsarbeit. Diese Beziehung hat eine eigene Materialität, eine eigene Stofflichkeit. Die meisten ihrer Installationen und Objekte entstehen aus der Auseinandersetzung bzw. dem Umgang mit Kunst und Theorien, die sich aus Kunstwissenschaften, Philosophie und Ästhetischer Theorie zusammensetzen. Sie sind häufig als Antwort an diese Phänomene gerichtet. Der Dialog mit theoretischen Fragestellungen und das Betrachten von Kunst ist fester Bestandteil ihrer Praxis. Der Dialog wird zur Form. Ihr favorisiertes Medium ist die Installation, wobei Bild und Schrift als gleichwertige Akteure dienen. Aktuell widmet sie sich dem Werk des Philosophen Michel Serres.
Kontakt: jekatarina_baum@gmx.de / www.katarinabaumann.com / instagram: jekatarina_baum
Interview
Du arbeitest mit dem Medium Installation. Warum?
Der Begriff Installation ist nicht problematisch, aber er verrät auch nicht viel. Ich denke jeder hat ein vages Bild davon, was die Installation bedeuten könnte. Meist sind damit verschiedene Operationen gemeint: Das Zusammenbringen von Dingen, Lücken zu schließen, etwas aufzubauen, etwas festzumachen. Alles Vorstellungen, die ich passend finde. Dieser offene Begriff, lässt mir den größten Freiraum.
Ich könnte auch sagen, dass ich Objektkunst mache, denn das ist das, was ich tue. Ich bringe Objekte zusammen und gestalte sie neu. Räumliche Objekte, gedankliche, aber auch Bilder kann man so verstehen.
Installation verrät auch nichts über die Machart. Da ich Methoden und Materialien häufig wechsle, wird die Installation zu einer allgemeinen Beschreibung, die für mich funktioniert. Meine Themen sind viel kontinuierlicher als die material-ästhetischen Kriterien.
Nur Fotografie taucht als Medium in fast allen Arbeiten auf. Sie erlaubt es mir schnell zu arbeiten und Objekte in Bilder zu verwandeln, so wie umgekehrt. Abbildungen von bestehenden Arbeiten werden teils wieder zu Originalen. Das Prinzip der Collage führt zu immer weiteren Verbindungen. So können Elemente und Abbildungen vergangener Projekte in neuen Zusammenhängen wieder auftauchen. Mit den Eigenschaften der Fotografie, wie der Reproduktionsfähigkeit und der Unab-hängigkeit in der Größe, entwickelt ich Arbeiten, die – wenn sie räumlich sind – an die jeweiligen Bedingungen angepasst werden.
Womit beschäftigst du dich in deiner Arbeit?
In meiner Praxis tauchen einige Grundfragen bzw. Thematiken immer wieder auf: Mich interessieren die Bedingungen zur Entstehung von Kunst, besonders die gedankliche Situation, in der sich der Künstler/die Künstlerin befinden. Der Moment des Anfangs ist für mich an dieser Stelle zentral. Was veranlasst jemand zu beginnen? Und wie sieht dieser Anfang aus? Kann man ihn darstellen? Doch auch die unterschiedlichen künstlerischen Mittel und Praktiken schlüssle ich auf und überprüfe sie auf ihre Wirkung: Praktiken wie das Zeigen, das Sehen lassen und die Erzeugung von Gegenwart. Mich interessiert das Beziehungs-Geflecht von Künstlern/Künstlerinnen untereinander, die Abhängigkeiten und Wahlverwandtschaften innerhalb ihrer Werke. Die Kommunikation in der Kunst bildet ein eigenes Raster, das viele Operationen möglich macht. Das Reagieren auf Kunst, der bekenntnishafte Charakter dieser Bewegung, ist eine Methode, die ich immer wieder aufgreife. Ein weiteres Feld ist die Beziehung zwischen Menschen und Dingen. Kunstwerke sind nur eine Kategorie von Dingen, die für den Menschen eine außergewöhnliche Rolle spielen. Dinge, so scheint es mir, bilden für Subjekte das entscheidende Bindeglied zur Außenwelt. Zu keinem Zeitpunkt eines Lebens ist der Mensch frei von Dingen. Ein Umstand, der mir, vor allem in Bezug auf Kunst, hochinteressant erscheint.
All diese Felder fließen ineinander über und bilden ein Raster, auf dem ich mich spielerisch bewegen kann, um neue Objekte sowie Konzepte zu entwickeln. Ein wichtiges Prinzip: Alle Quellen offen zu legen. Das Nachvollziehen von Bezügen, das Aufschlüsseln von Querverbindungen und Zusammenhängen führt zu der Möglichkeit, diese selbst zu erzeugen.
Wer oder was inspiriert dich?
Eine Formulierung, die ich in Artist-Statements schon häufiger verwendet habe: „Material, kann ich in allem finden, das in der Lage ist mich zu verändern“. Wann immer man mit Wörter wie allem oder alles hantiert, wird es vage und unbestimmt. Dennoch beschreibt dies am besten, was ich meine. Ich finde Material in Gefundenem, in zufälligen Momenten, in Texten und Kunstwerken anderer, in unbedeutenden Fotos aus dem Netz, in zwischenmenschlichen Situationen, in Filmen und Musik. In den Versuchen im Atelier und hin und wieder auch in den Gedanken Anderer.
Was fasziniert dich besonders an den Werken des Philosophen Michel Serres?
Der erste Kontakt mit Serres war ein Interviewband. Es handelte sich um mehrere Unterhaltungen mit seinem jüngeren Kollegen Bruno Latour. Sie sprachen darin über ihren gemeinsamen Tätigkeitsbereich: die Wissenschaftsforschung. Ich war berührt und beeindruckt bei der Vorstellung, dass das, was ich lese, wirklich gesprochene Sprache ist. Seine Art zu erklären rührte mich an. Es war die selbstverständliche Durchmischung aller Einflüsse, die sein Leben ihm bereitstellte, das Sanfte, die Zuwendung und die persönliche Anteilnahme an allen Themen, die aufkamen.
Auch wenn die Gegenstände um die es beiden geht sich von den Gegenständen meiner Arbeit stark unterscheiden, konnte ich viele Verwandtschaften zu ihnen erkennen. Ich verstand, dass für Wissenschaftlerinnen ebenso wie für Künstlerinnen die Frage nach dem Stil bedeutend ist.
Mir gefiel die Art und Weise wie Serres einen Gedanken aufbaut, die Konstruktion. Er vermischte die Sachen wie ich es vorher nicht kannte. Er verbindet Mathematik, Philosophie, Naturwissenschaften, Mythologie, religiöse Phänomene und ästhetische Theorie.
Als ich dann das erste Buch von ihm las, bestätigte sich meine Vermutung. Es war eine beinah dichterische Sprache, voll von Bildern und Erzählungen. Serres hat einfach keine Scheu alles hinzuzufügen, was ihm hilfreich erscheint. Seine Bekanntschaft zu machen, und der Eindruck, den ich dadurch bekam, war für mich mehr als nur unkonventionell. Seine Vorschläge sind besonders präzise und ermutigend.
Wenn man sich ansieht worüber er nachdachte, dann sind das alles Vorstellungen und Fragen, die in der Kunst im Mittelpunkt stehen: Relationen, Kommunikation, Gemische, Erfindungen, Zeit und, und, und. Wir teilen vieles und gleichzeitig ist er ein großes Rätsel für mich.
Noch bevor er mit seinen Konstruktionen beginnt, beschreibt er häufig Stimmungen aus denen dann die Thesen hervortreten. Diese Beschreibungen sind zum Teil sehr bildhaft. Fast so als ob er erst einmal die passende Umgebung formen würde, um dann den Gedanken in dieser Stimmung einen Ort zu geben. Dieser Ort, diese Szene beschreibt seine Perspektive und das, was daraus werden kann.
Der Stil, in dem er seine Gedanken, Beschreibungen und den Sinn konstruiert ist für mich neu und bekannt zugleich: Das Sprechen über die Welt, heraus aus einer offen subjektiven Konstruk-tion, in seinem Fach. Da kommt alles zusammen, was ich über künstlerische Praxis weiß.
Es ging nie darum aus ihm einen Künstler zu machen. Ich stelle nur fest das er für mich eine bereichernde Position ist. Eine, die vieles behandelt, das die tägliche Arbeit bestimmt.
Welche weiteren Pläne hast du während deines Stipendiums?
Ich möchte vor allem das Projekt mit Serres so weit wie möglich vorantreiben.
Grundlage / Grundstruktur des Projektes ist es alle Bücher des Philosophen Michel Serres zu lesen. Alle mir verständlichen. Während dieser Zeit lese ich nur Michel Serres, oder weitere Quellen, die sich aus seiner Arbeit ergeben und denen ich nachgehe, um der Gedankenführung folgen zu können. Mit dieser Geste stecke ich einen gedanklichen Raum ab. Seinen Raum. Das macht es möglich ihn zu betreten und sich darin für längere Zeit aufzuhalten. Die Projektlänge hängt davon ab wie lange es dauern wird alle Bücher zu studieren. Die Einflüsse sind nicht unkontrolliert, insofern, als dass ich mich für diesen Autor entschieden habe. Durch seinen Einfluss in dem Experiment soll meine eigene Sicht auf die Dinge transformiert werden. Alle Veränderungen sollen sichtbar, bzw. erkennbar sein. Dieser Prozess wird von einer fortlaufenden Bild- und Objekt-Produktion begleitet. Sie entwickeln sich aus dem Lektüre-Moment und sind eine direkte Interak-tion mit den Texten Serres. Nicht nur mein Denken soll durch diese Arbeit verändert werden, sondern vor allem die Beziehung, die zwischen Serres und mir entsteht.
Einige Bücher erarbeite ich mir zügig und flüssig, andere wiederum verlangen viel von mir. Deshalb ist es schwer abzuschätzen wie viel Zeit dieses Vorhaben brauchen wird. Aus der Lektüre des Buches „Die fünf Sinne“ habe ich bereits einige neue Objekte und Skulpturen konzipiert, die ich dieses Jahr noch realisieren möchte.
Parallel arbeite ich an einem Künstlerbuch. Dieses wird größtenteils aus Fotografien bestehen und eine von mir durchgeführte Formen-Studie zeigen.