Mukenge/Schellhammer
Mukenge/Schellhammer
Stipendiat:innen Bildende Kunst 2023
Mukenge/Schellhammer besteht aus Lydia Schellhammer (*1992 in Konstanz) und Christ Mukenge (*1988 in Kinshasa, DR Kongo). Sie studierten Kunstpädagogik und Malerei an der Académie des Beaux-Arts de Kinshasa. Ihre spezifische Form der Zusammenarbeit erschwert die Kategorisierung nach geografischer Herkunft und umfasst als kollektiver künstlerischer Prozess digitale und analoge Malereien und Zeichnungen, experimentelle Videos, multimedia Installationen und Performance.
Interview
1. Was bedeutet es für euch, kollektiv zu arbeiten und wie beeinflusst das eure kreative Arbeit?
Wir haben uns sehr bewusst für eine Zusammenarbeit als Duo entschieden. Wir haben auch vorher schon zusammen an verschiedenen Projekten gearbeitet, hatten das aber nicht als Duo bezeichnet. Im Jahr 2016 ist dann das Duo entstanden. Es war ein wichtiger Schritt, da uns aufgefallen ist, dass unsere künstlerische Arbeit oft nach unserer jeweiligen geografischer Herkunft kategorisiert wird. Also, dass erwartet wird, dass wir unseren kulturellen Hintergrund in unserer künstlerischen Arbeit repräsentieren. Die Idee des Duos war also, diesen Erwartungen auszuweichen, gemeinsame Projekte und Bilder zu machen, damit die geografische Herkunft nicht mehr im Vordergrund steht. Das ist mit den Jahren auch zu einem gemeinsamen Malstil geworden. Da wir von Anfang gemeinsam auf der gleichen Leinwand gemalt haben, um die Autorenschaft verschwimmen zu lassen, ist aus unseren beiden Malstilen ein dritter geworden, der Stil des Duos.
2. Warum ist die Erforschung der Beziehung zwischen physischer Kunst und virtueller Kunst so wichtig für euch?
Wir haben schon lange digitale Kunst gemacht, nur hat sich vor der Pandemie niemand so richtig dafür interessiert. Während der Pandemie wurden dann plötzlich Video-Arbeiten, virtuelle Räume, digitale Ausstellung wichtig. Das fanden wir toll, da wir endlich Möglichkeiten hatten, auch unsere digitalen Arbeiten zu zeigen. Wir haben ja beide eine Ausbildung in Malerei, also ein sehr traditionelles Medium. Wir wollten aber beide auch immer den Anschluss an neue Medien, an zeitgenössische Arbeitsweisen. Das digitale Arbeiten ist für uns ein Werkzeug, um die Malerei zu erweitern. Wir sehen uns also nicht als Medien-Künstler*innen, sondern als Maler*innen, die digitale Medien nutzen. Wir machen experimentelle Videos und digitale Malereien. Dafür nutzen wir hauptsächlich digitale Malmethoden, also zum Beispiel Programm wie Paint oder Tilt Brush als VR Programm. Das heißt, wir malen im virtuellen Raum, mit digitalen Pinseln. Die Arbeitsweise verändert sich also nicht so sehr, wir haben aber viel mehr Möglichkeiten. Wir können in drei-dimensionalen, virtuellen Räumen Bilder machen, Videos von den digitalen Malereien machen, oder über AR-Techniken die Malereien in den realen Raum projizieren. Das sind sehr experimentelle Formate, durch die Malerei durch zeitgenössische Sehgewohnheiten, die ja sehr vom digitalen beeinflusst werden, erweitert wird.
3. Gibt es Themen in eurer Kunst, die ihr öfter thematisiert oder erforscht?
In unseren Bildern sind oft Szenen, Geschichten oder Themen aus unserem Alltag. Also Dinge, die wir erlebt haben, die uns Leute erzählt haben, die wir gelesen haben, und die uns interessiert oder auch emotional beschäftigt haben. Da wir zwischen Deutschland und der Demokratischen Republik Kongo leben und arbeiten, entstehen dadurch automatisch Themen, die außer der persönlichen Ebene auch große Themen unserer Zeit betreffen. Also zum Beispiel Postkolonialismus, epistemische Hierarchien, interkulturelle Missverständnisse … Wir haben uns aber nie für diese Themen entschieden, sondern wir treffen ständig auf sie in unserem Alltag. Wir verstehen unsere Kunst also nicht als politisches Statement, sondern die Politik spielt sich an uns als kongolesisch-deutsches Duo ab und ist daher natürlich auch in der künstlerischen Arbeit präsent. Selbst formale, malerische Fragen werden dann teilweise zum Politikum, wenn zum Beispiel malerische Strömungen aus Kinshasa, die unsere Arbeit beeinflussen, im europäischen Kontext nicht als Referenzen erkannt werden, weil diese im eurozentrischen Kunstverständnis nicht vorkommen.
4. Welche Projekte und Arbeiten habt ihr im Zeitraum eures Stipendiums geplant?
Wir haben aktuell eine Ausstellung in den Räumen der Kunststiftung Baden-Württemberg, die ganz gut beschreibt, woran wir aktuell arbeiten. Der Ausstellungstitel ist „Undigested Images“ und ist Teil einer Arbeitsreihe zu zeitgenössischen Mythologien, die wir mit der Ausstellung „Barking dogs in the head“ im Jahr 2022 in Kinshasa begonnen haben. Mythen sind für uns persönliche Geschichten, die aber auf große Zusammenhänge verweisen, die also Aussagen über unsere Zeit und Gesellschaften machen. Gleichzeitig verzerren sie die Wirklichkeit, sprechen durch Lügengeschichten über Wahrheiten. Wir versuchen also, durch Auszüge aus unserem Alltag über größere Zusammenhänge nachzudenken und neue Perspektiven zu erzählen. Dabei nutzen wir alle Strategien der Mythen und machen Collagen aus Fiktion, Illusion, Wahrheit, Simulation, Unbewusstem und Offensichtlichem, traditionellen und populären, persönlichen und kollektiven Bildern und Geschichten. Außerdem haben wir uns im Rahmen des Stipendiums vorgenommen, geeignete Arbeitsräume zu finden. Als Stipendiaten können wir auch die Räume der Kunststiftung nutzen, das ist für uns eine große Hilfe.