Nicolas Fehr
Nicolas Fehr
Stipendiat Musik 2021
Nicolas Fehr (*1989 in Frankfurt am Main) wächst in USA auf und zieht als Teenager nach Deutschland. Im Verlauf seines Studiums an der HfG Karlsruhe beginnt er immersive Mikrokosmen zu entwickeln, welche die Schnittstelle von experimenteller Popmusik, Performance, bildender Kunst und Installation ausloten. 2020 veröffentlichte er unter eigenem Namen seine ersten beiden Solo-Alben und einen Kurzfilm, die er zum Großteil selber produzierte. Außerdem ist er Sänger der Band »ooi« und als Komponist und Performer im Tanz- und Theaterbereich tätig (u.a. Volksbühne Berlin, Deutsches Theater Göttingen, Schauspielhaus Wien). Momentan arbeitet er an einer Installation die im Rahmen seines Meisterschülerjahres bei Prof. Raphael Sbrzesny (HfK Bremen) im MMK Weserburg ausgestellt wird. Desweiteren arbeitet er an einem neuen Soloprojekt namens »Louis Astro«, dem »ooi« Debutalbum sowie der Tanzproduktion »Fauna Futura« des Choreographen Yotam Peled.
www.nicolasfehr.com
Interview
Du arbeitest an der Schnittstelle von experimenteller Popmusik, Performance und Bildender Kunst. Wie entstand dein Interesse für diese Bereiche?
Ich habe bereits als Kind eine große Neugier für das Unbekannte, Rätselhafte und Ungewohnte verspürt und darin wohl etwas Existenzielles erkannt. Für mich sind alle künstlerischen Ausdrucksformen eine Möglichkeit, dieser kindischen und doch ganz wesentlichen Neugierde nachzugehen. Die Hochschule für Gestaltung Karlsruhe hat eine wichtige Rolle in meiner Entwicklung gespielt, denn dort habe ich mich zum ersten Mal wirklich unter Gleichgesinnten gefühlt. Dieser Ort war wie eine Oase für mich und ein fruchtbarer Nährboden zum interdisziplinären Experimentieren, Lernen, Austauschen, Erkunden und Träumen.
Worum geht es in deinem aktuellem Soloprojekt?
Es mag banal klingen, aber in erster Linie geht es mir darum, mich möglichst frei und unverzerrt auszudrücken. Dabei geht es sowohl um innere als auch um äußere Prozesse: Es geht ums Suchen, Erkunden, Empfangen, Scheitern, Überwinden, Verbinden, Verweben. Darin liegt meiner Meinung nach eine magische und heilende Kraft, nicht nur für einen selbst, sondern auch für andere.
Eine alternative Antwort wäre: Ausgangspunkt ist meistens mein musikalisches Schaffen, welches mit performativer und bildender Kunst in Form von Szenografie, Bewegtbild, und Zeichnungen verflochten wird. Es geht um Fluidität, um die Überwindung von eindeutigen Genre- und Genderzuschreibungen. Es geht darum physische und immaterielle Orte zu schaffen, die Kopf und Herz öffnen, trösten, amüsieren, berühren, anregen und irgendwie rätselhaft bleiben.
Wer oder was inspiriert dich?
Es gibt so viele Inspirationsquellen, dass ich hier nur einige beliebig aufzählen kann. Den ersten Song den ich bewusst gehört habe war Daniel von Elton John im Alter von vier Jahren — das ist Popmusik, die uplifting und gleichzeitig zutiefst melancholisch ist. Ich glaube, das hat mich stark geprägt. Weitere Inspirationsquellen, die ich jedem neugierigen Musikliebhaber ans Herz legen möchte sind Nusrat Fateh Ali Khan und Kishori Amonkar. Meine dreijährige Nichte und die Kinder meiner Freunde inspirieren mich. Meine Zimmerpflanzen und die Stadtvögel, die bei Sonnenuntergang zusammenkommen inspirieren mich. Das Stipendium inspiriert mich natürlich auch, denn es gibt mir Zeit und Mittel zu träumen und zu kreieren.
Was planst du während deines Stipendiums?
Je üppiger die Pläne blühen, um so verzwickter wird die Tat. Das ist ein Zitat — von Erich Kästner wohlbemerkt, nicht von mir. Ich? Ich liebe das Pläneschmieden. Allein der Klang dieses Wortes! So geschmeidig. Friede Freude Pläneschmieden. Nun zu meinen Plänen: Bis zum 9.1.2022 ist Movements That Are Hard To Replicate im Weserburg Museum für Moderne Kunst Bremen noch zu sehen, eine mehrteilige Arbeit die Installation, Video, Publikation, und Performance umfasst. Ein Film, der die Performance dokumentiert, mit der ich diese Installation am Eröffnungsabend aktiviert habe, wird Mitte Dezember veröffentlicht. Für 2022 ist eine Veröffentlichung des Soundtracks der Performance geplant; zudem eine längere Reise die der Erkundung nicht-westlicher Musikkulturen dienen soll; sowie die Entwicklung zwei weiterer Arbeiten, die ebenfalls Installation, Performance und bildende Kunst mit meinem musikalischen Schaffen verbinden. Davon wird eine im musealen Kontext wieder zu sehen sein, während die andere auf die Bühne gebracht werden soll. Der bedeutendste und am schwierigsten auszuführenden Plan ist jedoch, nicht zu viele Pläne zu machen. Denn wer mag schon Verzwickung?