Simon Pfeffel

Simon Pfeffel
Stipendiat Bildende Kunst 2018

*1985 in Nürnberg
lebt und arbeitet u.a. in Karlsruhe

Bedingt durch seine performative Praxis, wurde die Reise selbst zu einem entscheidenden Thema in seiner künstlerischen Arbeit und gleichzeitig ein fester Arbeitsort für ihn obsolet. Simon Pfeffel erschafft in seinen Performances Situationen, deren Reiz für ihn in ihrer partizipativen Komponente liegt. Seine Performances sind Ausgangspunkte menschlicher Beziehungen, während derer er sich langsam zurückzieht und dabei den aktiven Part, insbesondere die Kontrolle über die Situation, an die Rezipienten abtritt.


Interview

Woran arbeitest du aktuell?

In meiner künstlerischen Praxis verschwindet das Objekt zu Gunsten des Subjekts, dessen Rezeptionsprozesse nun unmittelbar verhandelt werden. Ort meiner Handlungen ist fast immer der öffentliche Raum, der bewohnte Raum, meist Stadtraum, freie Fläche, umgeben von Architektur. Hier nehme ich mich und meinen Körper seit einigen Jahren auch aus den Performances heraus, um Regie zu führen und so Gruppen von bis zu 15 Personen eine oder mehrere künstlerische Handlungen durchführen zu lassen.

So sind meine Performances inspiriert durch die Performance- und Konzeptkunst der 60er-Jahre und später. Valie Export und Franz Erhard Walther waren zum Beispiel große künstlerische Vorbilder für mich. In meinen Arbeiten will ich nun jedoch einen Schritt weitergehen, indem ich das Subjekt und dessen psychisches Verständnis - wie auch geistige Verarbeitungsprozesse von Raum, Zeit und Dauer und vor allem Zwischenmenschlichkeit und Beziehungsstrukturen - zur Grundlage meines künstlerischen Arbeitens mache. Sozusagen zu meinem künstlerischen Material.

Im öffentlichen Raum bewegen wir uns zur Arbeit, um einzukaufen, um alltägliche Strecken zurückzulegen. Die Akteure meiner Handlungen – auch jeden Betrachter meiner künstlerischen Arbeiten fordere ich zur Handlung auf, so werden Betrachter immer gleichzeitig Mitwirkende – heften sich körperlich an diese Orte, oder sie hängen sich an zufällige Passanten, indem sie mit diesen mitgehen. Meine Handlungsanweisungen wirken zu Beginn monologisch, sind jedoch immer dialogisch entworfen. Hier ein Beispiel:

Das „ich“ und das „du“ sind wichtige Bestandteile vieler meiner Performances, mal verbal und mal bildhaft formuliert.  Wenn ich mit einer zufälligen Passantin im öffentlichen Raum mitgehe und ihre Schrittgeschwindigkeit annehme, dann verlasse ich meine eigenen Pfade und folge meinem Gegenüber in seinem lebendigen Schrittrhythmus. So wird auch deren Schrittgeschwindigkeit Ausgangspunkt und Leitmotiv von vielen meiner performativen Handlungen. So etwa, wenn Akteure im Rahmen meiner Handlungsanweisungen und im Takt des zufälligen Gegenübers laut „ich“ aussprechen während jedes Schritts. Dieses „ich“ ist natürlich das eigene ich. Gleichzeitig jedoch ist es das „ich“ meines Gegenübers. Die Akteure wiederholen dies solange wie möglich, wodurch das Ausgesprochene für Zuhörer und Akteur zunehmend an Sinn verliert und zu etwas Neuem wird.

Die Irritation meines Gegenübers wird durch ein Paradox verstärkt: Wenn wir „ich“ sagen, konstituieren wir uns psychisch, ein Subjekt entsteht. Babys erfahren nach und nach ihre eigene Subjektivität, sie lernen das Wort „ich“ und dessen Bedeutung. Sie werden eigenständig und grenzen sich von ihrem Gegenüber ab. So ist das „ich“ immer auch ein „du“, weil erst das Eigene das Fremde schafft. Meine Handlungsanweisung fordert dazu auf, das „ich“ zu wiederholen. Die Wiederholung bedingt, dass das Wort „ich“ mit jedem Schritt an Sinn verliert. Wir erschaffen uns und zerfallen zur selben Zeit.

 

Womit beschäftigst du dich in deiner Arbeit?

In meiner künstlerischen Arbeit spielt auch immer noch der eigene Körper als Spiegelbild und Projektionsfläche für mein Gegenüber eine sehr wichtige Rolle. Hier ein Beispiel:

Ich stehe zum Beispiel am Kopf einer Treppe und lehne mich nach hinten. Ich würde fallen, mit dem Rücken voraus ins Leere, wenn mich nicht jemand am Arm festhielte. Ich bin der Entscheidung dieser fremden Person ausgeliefert: Halten, loslassen oder eine weitere fremde Person im öffentlichen Raum dazu überreden, den Platz einzunehmen? Unser Gespräch kreist um diese Entscheidung und verläuft dann ziellos weiter. Doch je länger es andauert, desto schwieriger ist der Entschluss zu fällen, weil sich unser Vertrauensverhältnis intensiviert. Eingefangen durch dessen Neugier und den Entschluss, sich auf die Situation mit mir einzulassen, hindere ich mein Gegenüber am Gehen. Stillstand und Bewegung zur selben Zeit. Spannend wird der Prozess dadurch, dass er ewig andauern könnte oder zumindest so lange unsere Kraft ausreicht. Die Situation bleibt fragil: Wie mein Körpergewicht, so hält der Betrachter auch unseren Dialog in der Schwebe. Die Konsequenz des Scheiterns, mein Fallen, ist der Motor dieser Handlung und gleichzeitig ihr Erfolg.

In meiner künstlerischen Praxis erschaffe ich Situationen, deren Reiz für mich darin liegt, dass die Entwicklung und das Ziel zu Beginn nicht abzusehen sind, weil Entscheidungen nicht alleine von mir getragen werden. Meine Performances sind Ausgangspunkte für menschliche Beziehungen, während derer ich zunehmend passiv werde und die Kontrolle über die Situation Stück für Stück an die Rezipienten abtrete. Im selben Maße entwickelt sich das Verantwortungsbewusstsein dieser Personen und unser Vertrauensverhältnis zueinander, dessen Belastbarkeit über die Dauer meiner Handlungen erprobt wird.

Vertrauen entwickelt sich durch Zeit. Die Enttäuschung wächst durch einen Vertrauensverlust in höherem Maße als das Vertrauen selbst zuvor wachsen konnte. Doch ein mögliches Scheitern impliziert auch immer einen möglichen Erfolg, und so müssen wir uns abhängig machen, um uns zu entwickeln.

 

Wer oder was inspiriert dich?

Francis Alÿs, zeitgenössische Psychologie, hier vor allem relationale psychologische Ansätze. Etwa: Daniel Stern „Der Gegenwartsmoment“. Albert Camus „Der Fremde“. Italo Calvino „Der Baron in den Bäumen“ und viele andere.

 

Mit welcher Persönlichkeit aus der Kunstszene würdest du gerne zusammenarbeiten und warum? 

Franz Erhard Walther und Francis Alÿs. Einfach deswegen, weil ich deren Arbeit sehr schätze und mir sehr gut vorstellen könnte, während einer künstlerischen Zusammenarbeit viel Neues zu entdecken und dabei großen Spaß zu haben.

 

Welche Pläne hast du während deines Stipendiums?

Die vergangenen Jahre arbeitete ich größtenteils an Performances im öffentlichen Raum und habe so nun einen reichen Fundus an diversen Erfahrungen. Waren meine Performances zu Beginn meiner Praxis noch sehr skulptural geprägt, treten nun psychische Verarbeitungs- und Reflexionsprozesse stark in den Vordergrund.

Aktuell arbeite ich daher daran, meine Erfahrungen zu verarbeiten, damit ich mich in Zukunft künstlerisch nicht einfach nur im Kreis drehe, sondern, wenn möglich, so etwas wie eine Entwicklung in meiner Praxis forciere.

Dies mache ich unter anderem dadurch, dass ich zum Beispiel den öffentlichen Raum durch den privaten ersetze oder diese beiden Räume miteinander verknüpfe, um zum Beispiel mehr darüber zu erfahren, was es bedeutet, Privatheit, Intimität und einen intensiven Wahrnehmungsraum in öffentlichen Räumen durch und während meiner Handlungen zu erzeugen. So wird mir die Dauer des Stipendiums vor allem als gedanklicher Reflexionsraum dienen.

 

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