Heiko Schäfer
Heiko Schäfer
»Realabstraktion der Ungleichheit,
Beispiele für Alle«
17. Juli – 26. Oktober 2024
Die Ausstellung „Realabstraktion der Ungleichheit, Beispiele für Alle“ von Heiko Schäfer zeigt verschiedene Werkgruppen, die sich mit dem Themenkomplex Arbeit, Wert und Gerechtigkeit auseinandersetzen. In seinen großformatigen Analogfotografien hat Heiko Schäfer Arbeiter:innen in ihrem Fabrikalltag sowie Freiwillige bei ihrer Tätigkeit begleitet: Bei der Kontrolle von Etiketten in einer Wuppertaler Bandweberei oder bei der Essensausgabestelle von Lebensmittelspenden.
Schäfer hat sich für diese Aufnahmen ein aufwändiges Setting vor Ort in den Fabriken aufgebaut und einzelne Arbeiter:innen während des laufenden Betriebs bei ihrem natürlichen Arbeitsablauf fotografiert. Dabei entstanden Fotoserien, welche die einzelnen Arbeitsschritte und ihre dazugehörigen Handgriffe dokumentieren. Händisch werden beispielsweise textile Etiketten für teure Labels kontrolliert und auf Webfehler untersucht. Oft sind diese Bekleidungsbestandteile die einzigen, die in Europa hergestellt werden. Sowohl die ausgeführten Arbeitstechniken als auch die Schwarz-Weiß-Aufnahmen erinnern an vergangene Zeiten, zeigen allerdings eine aktuelle Arbeitssituation. Schäfer nutzt diese Irritation um unsere vom Fortschrittsdenken geprägte Gesellschaft zu hinterfragen.
Ausführliche Bildunterschriften begleiten die Fotografien: »Samantha setzt am 20.8.2020 um 11:31 Uhr eine 100er-Stichspule an einer 48er- Buntflechtmaschine ein« und unterstreichen den dokumentarischen Charakter. Weitere Textelemente geben jedoch tiefere Einblicke: »Sie arbeitet seitdem im Textilwerk Carl Friedrich und versorgt ihre Eltern, zwei ihrer Schwestern und ihren Bruder mit ihrem Gehalt mit.«
Die von Heiko Schäfer fotografierten Orte der Arbeit stehen auch immer exemplarisch für einen größeren Kontext: Hierauf verweist der Titel der Ausstellung Realabstraktion – ein zentraler Begriff in der marxistischen Theorie, der die kapitalistische Produktionsweise untersucht. Dieser real existierende Prozess schafft abstrakte Ebenen von Wert und Geld, die spezifische Qualitäten ausblenden. Arbeit wird auf abstrakte, allgemeine Arbeitskraft reduziert und nur als Kostenfaktor im Produktionsprozess betrachtet. Somit wohnen den Arbeiten Schäfers auch immer Fragen nach dem (ökonomischen) Wert von Arbeit und sozialer Gerechtigkeit inne und verweisen auf die oft damit einhergehenden prekären Verhältnisse der Arbeiter:innen.
Heiko Schäfer (*1983 in Kirchheim/Teck) schloss 2017 das Studium an der Kunstakademie Düsseldorf bei Christopher Williams ab. Seine Arbeiten waren unter anderem im Westfälischen Kunstverein, im Museum Folkwang, im Museum der Bildenden Künste Leipzig und im Museum für Photographie in Braunschweig ausgestellt. Er erhielt zahlreiche Preise und Stipendien, unter anderem 2021 den Dokumentarfotografie-Förderpreis der Wüstenrotstiftung und 2024 den Förderankauf der Kunstsammlung des Landes Nordrhein-Westfalen.