
Christiane Heidrich

Christiane Heidrich
Stipendiatin Literatur 2022
Christiane Heidrich (*1995 in Karlsruhe) ist Dichterin und Übersetzerin. Ihr Debütband „Spliss“ erschien 2018 bei kookbooks. Ihre Gedichte wurden ins Tschechische, Ungarische, Französische und Englische übersetzt. Sie studierte Bildende Kunst an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst Wien, wo sie derzeit promoviert.
Interview
1. Was reizt und fasziniert dich an der Textform des Gedichts?
Eine ganze, schwindelerregende Menge. Dass es nicht mal dem entspricht, was für es spricht. Es kann sich sogar der Begeisterung entziehen, die man für es aufbringt. Oft eile ich zum Schreiben, um von der Verfasstheit einer Sache oder Lage irgendwie, wie genau ist vielleicht die Bewegung des Gedichts, abzurücken. Ich verlese, verhöre mich und will dabei bleiben. Ich will mich lossagen und nichts sagen. Die Gedichtform hat für mich das Potenzial, diese Verstimmung, diese Distanz zu entfalten, als sprachliche Konstellation, deren verschiedene Stellen und Ebenen sich so zueinander verhalten und miteinander verbinden, dass sich der Prozess ihrer Ausdifferenzierung nicht mit dem Schreiben abschließen lässt, über meine Setzungen hinaus weiterarbeitet. Etwas Ungenaues kann in seiner Ungenauigkeit immer deutlicher hervortreten, ohne sich zu vereindeutigen. Ein Gedicht kann nach innen hin zu keinem Ende kommen, während es sich nach außen hin mit einem fast bildhaften Umriss präsentiert.
2. Dein erster Gedichtband behandelt das Thema Körper. Wie kamst du auf die Idee diesen zum Thema deiner Arbeit zu machen?
Die in „Spliss“, meinem ersten Buch, versammelten Gedichte habe ich über einen längeren Zeitraum geschrieben, in dem auch viele andere Texte und künstlerische Arbeiten entstanden sind, die über Sprache hinaus mit Performance, Video, Sound und Installation arbeiten und den Gedichtband geprägt haben, obwohl er sie nicht beinhaltet. Ich denke, dass das eine wichtige Rolle dafür gespielt hat, wie der Körper als wiederkehrendes Motiv in den Gedichtband kam. Er geistert eher darin herum, als gleichzeitig diskursgeladenes und diskursaussetzendes Element, von dem Versuch, ein Bild abzugeben, bis hin zum Leerwerden und Verschwinden bewegt er sich und setzt Punkte, um die er kreist oder an denen er abbricht. Mich hat der Unterschied zwischen bildlich und sprachlich hervorgebrachten Körpern beschäftigt, und das kam in vielen Gedichten zum Tragen, aus denen ich „Spliss“ zusammengestellt habe, aber weniger unmittelbar als über theoretische und künstlerische Umwege. Er tritt darin als gesehener, aufgezeichneter, formulierter oder anders vermittelter Körper auf.
3. Woran arbeitest du gerade?
Da ich in diesem Wintersemester zum ersten Mal unterrichte, eine Lyrikeinführung am Institut für Sprachkunst in Wien, strukturiert sich mein Schreiben gerade sehr um die Vor- und Nachbereitung der einzelnen Sitzungen und die Fragen, die im Seminar aufgeworfen werden. Es ist neu für mich, schreibend zu lehren, lehrend zu schreiben, und spannend, wie es das Verhältnis zu meinem Schreiben verändert. Wie lässt sich über Gedichte sprechen? Das Schreiben hat für mich oft damit zu tun, das Sprechen-Über zurückzuweisen und sich mit der Sprache anders zu einem Objekt auszurichten. Ich kann mich unterschiedlich nah an der Sprache meiner Gedichte bewegen, wenn ich mich sprechend neben sie stelle. Im Lyrikseminar sind wir ständig in der Situation, neben Gedichten von Gedichten zu sprechen und dafür eine Sprache zu suchen, das heißt den Abstand zwischen der Sprache der Gedichte und der unserer Besprechung auszuhandeln. Diese Prozesse lassen mich anders über bestimmte Zurückweisungs- und Entzugsgesten nachdenken, mit denen meine Gedichte und Lesungen spielen.
4. Welche Pläne und Projekte konntest du während deines Stipendiums bereits umsetzen?
Mich befällt das Projekt oft erst nachträglich, auch wenn ich es für einen Antrag in die Zukunft projiziere. Auch die Bezüge meiner Gedichte ergeben sich häufig erst aus dem Schreiben selbst. Während des Stipendiums der Kunststiftung habe ich eine Reihe von Gedichten geschrieben, die eine Resonanz mit Majakowskis „Wolke in Hosen“ herstellen. Dazu kam es, weil in einem der ersten Gedichte der Reihe, von wo aus sich die anderen entwickeln, die Stelle „Futuristen schmissen Adjektive aus allen möglichen Ecken. Solche Wolken“ auftaucht und mich jemand auf den von mir nicht intendierten Anklang hinwies, mit dem ich beim Schreiben der anderen Texte dann direkter umgegangen bin, weil er mir produktiv vorkam. Daneben habe ich einzelne lose, also nicht in einen Zyklus oder Ähnliches eingebundene Gedichte geschrieben, für die ich momentan noch eine umfassendere Form suche.