Erik Wunderlich

Foto:© Selina Göppert

Erik Wunderlich
Stipendiat Literatur 2021

Erik Wunderlich (Jahrgang 1983) stammt aus dem nördlichen Schwarzwald. Er studierte Physik in Karlsruhe und Psychologie an der Freien Universität Berlin. Nach zehn Jahren in Berlin lebt er seit 2018 in Freiburg im Breisgau. Als Singer-Songwriter Kap Alamé veröffentlichte er englischsprachige Lieder, als Autor konzentriert er sich auf surreal bis magisch gefärbte Prosa. Er war Finalist des Open Mike 2018 und ist 3. Preisträger des Schwäbischen Literaturpreises 2019. Mitte 2020 verbrachte er drei Monate als Lutz-Stipendiat in Pfaffenhofen a.d. Ilm. Anfang 2021 erhielt er ein Projektstipendium des Förderkreises deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg für seinen Erzählband „Irgendwohin nach Hause“. Darüber hinaus arbeitet er an seinem ersten Roman. 

Interview

Wie kamst du zur Literatur?
Schon in meiner Kindheit hatte ich den Drang, schöpferisch tätig zu sein, im Kopf eigene Welten zu erschaffen und ihnen eine Form zu geben. Ein paar Jahre war ich als Singer-Songwriter tätig, nach und nach hat sich mein Schwerpunkt aber aufs Schreiben verlagert. Vielleicht, weil die Literatur so schön minimalistisch ist? Sie braucht weder Instrumente noch Farben oder den menschlichen Körper, sondern nur Wörter als Arbeits„material“ – und damit entstehen in den Köpfen der LeserInnen vielfältigste, oft vorher nicht gekannte Stimmungen, Bilder und vieles mehr. Ich finde es unglaublich faszinierend, was allein mit Wörtern (und mit den Lücken dazwischen!) ausgedrückt und ausgelöst werden kann. Das Schreiben jedes neuen Textes ist wie das Erforschen einer (auch für mich) neuen Welt, und im besten Fall überträgt sich dieses sehr emotionale Erlebnis auf den Leser oder die Leserin.

Du schreibst gerade an deinem Erzählband. Wovon handeln die Texte?
Von einer Frau, die auf einer entvölkerten Erde ums Überleben kämpft, mithilfe eines merkwürdig selbstlosen und hörigen Mannes, der anscheinend etwas vor ihr verbirgt. Von einem Mann, der die eigene Wohnung nicht verlässt, aber durch sein Fernglas Zeuge wird vom seltsamen Treiben und Schaffen der angehimmelten Bildhauerin in der Wohnung gegenüber. Von einem Mann und einer Frau, die aufgrund einer rätselhaften, angeblich das Gehirn befallenden Pilz-Pandemie in ihrem Haus gefangen sind und deren gegenseitiges Misstrauen zu wuchern beginnt, als ein kleines Mädchen um Obdach bittet. In allen Erzählungen ist die Frage enthalten, was die Sehnsucht nach einem Zuhause, nach Geborgenheit im 21. Jahrhundert ausmacht. Wie fühlt sich Entfremdung an, wie kann eine (Wieder-)Annäherung an andere, an sich selbst, an die Natur gelingen? Was bedeutet „Heimat“ in einer technologisierten, konsumorientierten, globalisierten, individualisierten Gesellschaft?

Wer oder was inspiriert dich?
Bücher: Ich lese jeden Tag (und trotzdem wächst meine Zu-Lesen-Liste unaufhaltsam weiter). Wie beim Schreiben habe ich ein Faible für Fantastische Literatur aller Art. Auch anregend finde ich Dokus über gesellschaftliche oder geschichtliche Themen, den Weltraum, die Natur – und das ganz reale Wandern im Schwarzwald. Dann Träume, vor allem solche mit archetypischen Bildern, die tiefe Gefühle bergen. Eine ständige Quelle der Inspiration ist für mich auch der Riss zwischen Utopie und Realität, also zwischen der Welt, wie sie sein könnte, und wie sie ist – samt ihrer hässlichen Facetten, z.B. der Ausbeutung der Natur durch den Menschen. Dieser Riss ist eine blutende Wunde: schmerzhaft, und produktiv. Vorstellungen davon zu entwerfen, wie ein friedliches Leben als Teil der Natur in Zukunft gestaltet werden kann (über neue Technologien hinaus!), gehört zu meinen stärksten Triebfedern beim Schreiben.

Was planst du während deines Stipendiums?
Ich will die Arbeit am Erzählband vorantreiben, bis hin zur Veröffentlichung. Außerdem will ich an meinem ersten Roman, einem Fantasy-Roman für Jugendliche und Erwachsene, weiterschreiben und ihn wenn möglich vollenden. Daneben gibt es noch einige Geschichten, die in meinem Kopf, auf einem Stück Papier oder in ersten Versionen existieren und auf ihre weitere Ausarbeitung warten (auch meine Zu-Schreiben-Liste wird unaufhaltsam länger). Mithilfe des Stipendiums will ich versuchen, mehr Zeit zum Lesen und für Recherchen aller Art zu finden, auch vor Ort und „in eigener Haut“. Während eines Aufenthalts in der Hallertau wäre es mir z.B. nicht möglich gewesen, eine Erzählung über zwei vom Hopfen besessene Menschen zu schreiben, ohne ein Hopfenmuseum, das Hopfenforschungsinstitut und zahlreiche Hopfengärten zu besuchen – d.h. ohne ein gesundes Maß an eigener Besessenheit.

Abgesehen von allen Plänen lasse ich mich überraschen, was das Jahr an Inspiration (und Besessenheit) bringt!

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