
Lena Meinhardt und Eva Dörr

Lena Meinhardt und Eva Dörr
Musik: Neue Musikformen 2024
Lena Meinhardt und Eva Dörr sind seit 2019 ein Künstlerinnenduo. Lena Meinhardt war bis 2021 Kontaktstudentin bei Prof. Piet Johan Meyer an der HMDK Stuttgart und und studierte Audiovisuelle Medien an der Hochschule der Medien Stuttgart. Eva Dörr studierte Mathematik und Bildende Kunst bei Prof. Udo Koch und Prof. Ricarda Roggan an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Ihre Arbeiten begegnen sich im Feld der Soundinstallation: Feldaufnahmen und Klangsynthesen verbinden sich mit Räumen und Elementen wie Video zu orts- oder kontextbezogenen, interdisziplinären Kompositionen. Sie wurden unter anderem am IRCAM Paris im Rahmen des Forum Workshop, im Kunstmuseum Stuttgart bei der Langen Nacht der Übergänge, bei den Estonian Music Days in Tallinn, beim Luigini Nono Award in Fermo sowie beim next_generation Festival im ZKM aufgeführt. Bis zuletzt waren sie gemeinsam Stipendiatinnen am Künstlerhaus Stuttgart.
Interview
1. Eva kommt aus der Bildenden Kunst, Lena kommt aus der Neuen Musik. Wie habt ihr zusammengefunden?
E: Ich habe Lena an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst kennengelernt, wo wir gemeinsame Kurse im Studio für elektronische Musik belegt hatten. Meine künstlerische Arbeit drehte sich zu der Zeit bereits um Klang- und Soundinstallationen und so war ich nach meinem Kunststudium dort als Gasthörerin eingeschrieben. 2019 gab es dann eine selbst initiierte Gruppenausstellung in einer leeren Shed-Halle in Vaihingen/ Möhringen, bei der wir unsere erste gemeinsame Arbeit „ABELKA“ realisierten. Über Lautsprechertürme wurde eine einstündige Komposition an die Wände und Decken gespielt und reflektiert, die sich mit den Geräuschen der Lüfter vermischte, die unter der Decke hingen und nach einem strengen Zeitplan stufenweise an und aus geschaltet wurden. Die Ausstellung trug den Titel „Die Kehrmaschine“. Sie lief einen Tag lang und war wie eine Gesamtkomposition, mit zeitlichen Veränderungen und Verläufen. Die Positionen aller teilnehmenden Künstler*innen haben sich dadurch nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich verschränkt.
2. Wie geht ihr bei Euren gemeinsamen Projekten vor?
L: Inzwischen hat sich eine klare Arbeitsaufteilung herauskristallisiert, auch wenn wir nicht immer mit dem selben Medium und der selben Aufführungs- oder Präsentationsform arbeiten. Das Grundkonzept erarbeiten wir immer gemeinsam, wir sprechen über die Form und die Inhalte, damit sich unsere unterschiedlichen Perspektiven und Schwerpunkte miteinander verschränken. Im nächsten Schritt wird recherchiert, Material gesammelt, Klänge synthetisch generiert; teilweise geschieht auch das noch gemeinsam. Umfasst die Arbeit mehrere Medien, so liegt der kompositorische Teil immer bei mir, der visuelle bei Eva. In dieser Phase arbeiten wir parallel und geben uns die Arbeit im Ping Pong hin und her. Wenn es Rauminstallationen sind, übernimmt Eva die Systemplanung. In unserer nächsten Arbeit „where is the seed —“ wird es beispielsweise so sein, dass ich eine Stereokomposition komponiere. Zusätzlich greift ein System aus sechs Lautsprechern, die Eva kontrolliert, Elemente dieser Komposition auf, transformiert sie und spielt sie durch den Raum.
3. In eurem Projekt „Afraid to own a Body” setzt Ihr KI-generierte Klänge ein. Wo liegen für euch Vorzüge bzw. Grenzen bei der Arbeit mit künstlicher Intelligenz?
L+E: Unser Zugang zur Arbeit mit KI war ein deep learning model, das wir mit Aufnahmematerial unserer beider Stimmen trainiert haben. Für den Trainingsprozess haben wir 8h Stimmmaterial von uns aufgenommen. Auf das Verfahren wurden wir beim IRCAM Forum Workshop in Paris aufmerksam. Eine Gruppe aus Forscher*innen hat ein Framework erarbeitet, mit dem KI-Modelle trainiert werden können, die Audiomaterial aufnehmen, interpretieren und wieder rausspielen können und den Programmier-Code öffentlich zugänglich gemacht. Uns war es wichtig zu wissen und zu kontrollieren, mit welchem Material das KI-Modell lernt, da dies unserer Meinung nach die Klangästhetik entscheidend prägt. Wir haben 2023 mit dieser Arbeit begonnen und in der Zwischenzeit hat sich schon einiges geändert. Auffallend war und ist jedoch, dass es extrem viel Rechenleistung braucht. Was uns besonders an dieser KI Methode begeistert, sind die klanglichen Ergebnisse, welche sich von anderen digitalen Klangsynthesen in ihrer Ästhetik stark unterscheiden.
4. Arbeitet ihr auch als Solokünstlerinnen?
L: Ja, wir beide arbeiten auch selbstständig künstlerisch. Eva macht schwerpunktmäßig Programmierungen, Installationen und Videos. Ich arbeite unter anderem an Serien mit elektroakustischen Mehrkanal-Stücken, die ich weiter komponiere. Die Serie „Coroa des Flores“ soll demnächst auf Schallplatte erscheinen.
5. Welche Projekte konntet ihr während Eures Stipendiums realisieren?
E: Im Stipendienjahr konnten wir eine Einzelausstellung im Böblinger Kunstverein realisieren. Neben einem Überblick über unsere gemeinsamen Projekte und die Arbeit als Solo Künstlerinnen konnten wir eine neue Arbeit „EASE“ produzieren. Sie spielt im virtuellen, dreidimensionalen Raum. Künstlerisch setzen wir uns mit prozessualem und räumlichen Klang auseinander, was sich darin widerspiegelt. Ähnlich spielt das auch in der nächsten Soundinstallation „where is the seed —“, von der wir oben schon erzählt haben, eine entscheidende Rolle. Sie wird in St. Maria als… zu hören sein. Im Stipendienjahr wurde auch ein Projektvorschlag von Anna Lehrer, Aida Nejad und uns beiden im Rahmen von BUNKER.RESONANZ - Ideenwettbewerb für ein dauerhaftes Kunstwerk im öffentlichen Raum am Wiener Platz in Stuttgart Feuerbach - zur Weiterarbeit ausgewählt; neben zwei weiteren Projekten. Auch dies erstreckt sich in das kommende Jahr.