
Leonie Klein

Leonie Klein
Stipendiatin Musik 2022
Leonie Klein (*1993 in Wittlich) hat sich der Neuen Musik verschrieben und ist als Schlagzeugerin sowohl solistisch als auch im Ensemble tätig. Sie war Jungstudentin an der Hochschule für Musik Karlsruhe und schloss dort den Masterstudiengang Schlagzeug bei Isao Nakamura sowie den Master Musikjournalismus ab. Zudem absolvierte sie den Begleitstudiengang Angewandte Kulturwissenschaft am ZAK Karlsruhe. Aktuell promoviert sie im Bereich Neue Musik für Schlagzeugsolo.
Interview
1. Wie kamst du zum Schlagzeug und was fasziniert dich daran?
Mit sechs Jahren hatte ich zum ersten Mal Sticks in der Hand und fing an auf zwei Bongos zu trommeln. Das war damals im Rahmen der musikalischen Früherziehung an der Musikschule. Seitdem begleitet mich das Schlagzeug durch mein Leben.
Faszinierend am Schlagzeug ist für mich die unglaubliche Vielfalt an Klängen und Geräuschen. Wenn ich mit einem Transporter voller Instrumente zum Konzert fahre und nach stundenlangem Aufbau die bis dahin leere Bühne voller Instrumente steht, denen es ungewöhnliche Klänge zu entlocken gilt, dann ist das ein tolles Gefühl.
2. Welche Erfahrung oder Inspiration prägt dein Schaffen und deine Arbeitsweise und warum?
Ich habe immer schon MusikerInnen bewundert, die auf eine Bühne gehen und „einfach Musik machen“. Bei denen immer eine Leichtigkeit zu spüren ist, auch wenn die Stücke noch so schwer zu spielen sind. Während meines Studiums hatte ich die Möglichkeit mit Helmut Lachenmann an seinem Schlagzeug Solo „Intérieur I“ zu arbeiten. Er sagte mir: „Weißt du, man kann das Stück buchstabieren oder man kann es musizieren, und das ist der Unterschied.“ Nachdem wir einen Nachmittag lang sehr akribisch an dem Stück gearbeitet hatten, sagte er dann: „Vergiss alles wieder, sonst wirst du verrückt, du musst das einfach spielen.“ Und so arbeite ich bis heute: Im Proberaum übe ich jeden einzelnen Klang, jede einzelne Bewegung bis ins letzte Detail, da überlasse ich nichts dem Zufall. Oft arbeite ich monatelang an einem Stück, bevor ich damit auf die Bühne gehe. In dieser Zeit lebe ich mit diesem Stück. Das geht solange, bis ich das Gefühl habe, jeden einzelnen Klang so verinnerlicht zu haben, dass es nicht mehr nur die Noten auf dem Papier sind, die ich da spiele, sondern dass daraus Musik wird.
3. Du plantest die Aufnahme einer zweiten CD. Kannst du Einblicke in dieses Vorhaben geben?
Eine Woche lang war ich im SWR Studio Kaiserlautern und habe dort meine zweite CD eingespielt, die Anfang 2023 beim Label Wergo erscheinen wird. Auf der CD werden neben Werken für Schlagzeug Solo auch Werke für Schlagzeug Duo zu hören sein, die ich zusammen mit dem Schlagzeuger Isao Nakamura, meinem ehemaligen Professor an der Karlsruher Musikhochschule, eingespielt habe.
Die meisten Werke auf der CD sind Auftragskompositionen für mich und das ISANIE Percussion Duo. Die Stücke sind im Fall von Latitudes #2 von Sara Glojnarić für Drumset und Tape, der Soloversion von Péter Eötvös´ Schlagzeugkonzert Speaking Drums und Chattering Birds von Dai Fujikura in enger Zusammenarbeit mit den KomponistInnen entstanden. Eine Solofassung von dem ursprünglich für Schlagzeug Quartett komponierten Stück Variations and Interludes von Ursula Mamlok habe ich selbst arrangiert. Dann gibt es noch Dialog über Erde von Vinko Globokar. Ein Stück aus den 90ern, das ich zusammen mit dem Komponisten erarbeitet habe. Und nicht zu vergessen sind die zwei Duostücke Windscapes von Toshio Hosokawa und Ritem kože - The Rhythm Of Skin von Uroš Rojko. Das Notenmaterial dieser beiden Stücke haben uns die Komponisten mit der Bitte um Aufführung zukommen gelassen und letzteres ist wie auch Chattering Birds von Dai Fujikura dem ISANIE Percussion Duo gewidmet.
Die Werke auf der CD haben alle ein ganz individuelles klangliches und kompositorisches Profil und in ihrer Kombination spiegeln sich viele unterschiedliche Facetten von Neuer Musik für Schlagzeug wider. Das macht eine Studioproduktion mit diesem Programm interessant, gleichzeitig aber auch herausfordernd: von perkussiven Klängen in Kombination mit gesprochener Sprache über den typischen Drumset-Sound bis hin zu Unterwasserklängen eines mit 80 Litern Wasser befüllten Aquariums ist alles dabei. Da wurde selbst der Hausmeister des SWR neugierig, der während der Umbaupausen zwischen den verschiedenen Sets gerne mal im Studio vorbeigeschaut hat.
4. Welche Pläne und Projekte konntest du während deines Stipendiums bereits umsetzen?
Neben der CD-Produktion konnte ich während des Stipendiums Notenausgaben der Solofassungen von Ursula Mamloks Variations and Interludes und Péter Eötvös´ Speaking Drums erarbeiten, die demnächst bei der C. F. Peters Corporation (New York) und dem Schott-Verlag herausgegeben werden.
Einen für mich neuen künstlerischen Wirkungsbereich konnte ich im Rahmen des Forums für gesellschaftlichen Zusammenhalt im Festspielhaus Baden-Baden ausprobieren: Neben einem Symposium zu aktuellen Themen aus der Welt des ehrenamtlichen Engagements wurde hier ein Konzert zum Thema „Sans Frontières – Grenzenlos für Frieden und Freiheit“ veranstaltet. Zusammen mit dem Regisseur Enno-Ilka Uhde übernahm ich die Dramaturgie für das Konzert, bei dem ich auch selbst als Schlagzeugerin mitwirkte. Im Anschluss an das Projekt habe ich ein Feature zur Entstehung des Konzerts für Deutschlandfunk Kultur produziert: Ein Konzert entsteht – Sans Frontières: Vom Spielzimmer ins Festspielhaus.
Den Blick in die Zukunft gerichtet: Während des Stipendiums konnte ich ein Konzept für ein neues Konzertformat entwerfen, das 2023 beim Mozartfest Würzburg realisiert werden wird: Das MozartExotikum – Ein interaktives Hörspiel-Konzert.
Und wer hätte das gedacht: Durch meine Arbeit mit dem Regisseur Enno-Ilka Uhde, Chefregisseur des DFB und zuständig für die Eröffnungsinszenierungen kurz vor Spielbeginn, bin ich nicht nur im Festspielhaus Baden-Baden, sondern auch auf dem Fußballplatz gelandet. Für mich standen die Eröffnung der Frauen-Bundesliga und ein Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft auf dem Programm – mal etwas ganz anderes.
So kann es weitergehen. Dank an die Kunststiftung, die mir das alles ermöglicht hat!