Sandra Burkhardt

Foto:© Mirko Lux

Sandra Burkhardt
Stipendiatin Literatur 2021

Sandra Burkhardt (*1992 in Laupheim) studierte Kunstgeschichte und Literarisches Schreiben in Karlsruhe und Leipzig. 2016 war sie Preisträgerin für Lyrik beim 24. Open Mike in Berlin. 2018 erschien ihr Debutband Wer A sagt, mit dem sie 2019 bei den Lyrikempfehlungen zur Leipziger Buchmesse vertraten war. Darin beschäftigt sie sich mit dem Thema des Ornaments und erkundet, wie sprachliche Zugriffe auf visuelle Phänomene funktionieren und aussehen könnten, welche Defizite und Überschüsse dabei entstehen. Das Ornament wird hier zum Gegenstand von Betrachtungen, die zwischen Lyrik und Prosa changieren und nach dem Verhältnis von Freiheit und Determination ebenso fragen wie nach der Produktion von Sinn.

Seit März 2021 befindet sie sich anlässlich des 3-monatigen Zwei-Raben-Aufenthaltsstipendiums im Ubbelohde-Haus in Goßfelden, wo sie an ihrem zweiten Band mit Übersetzungen und Aneignungen von Gedichten Francesco Petrarcas arbeitet.

Interview

Woran arbeitest du aktuell?
Aktuell arbeite ich an Übertragungen, Nachdichtungen, Aneignungen einiger Gedichte aus Francesco Petrarcas Canzoniere, den Liebesgedichten an Laura, mit denen ich 2016 bereits beim 24. Open Mike teilnahm. Nach meinem Debütband Wer A sagt, der zugleich auch meine Abschlussarbeit am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig war, habe ich die Arbeit an diesem Projekt, das mich nun schon eine ganze Weile begleitet, wieder aufgenommen. Bei dem freien Übersetzungsprozess geht es mir um die Über- und Einnahme eines Ichs, das mir das Sprechen aus einem anderen Körper, einem anderen Mund erlaubt: Petrarca-Drag. Seit wenigen Tagen befinde ich mich im Ubbelohde-Haus in Großfelden und hoffe, während meines 3-monatigen Aufenthaltsstipendiums dort, das Projekt, das mich nicht so recht loszulassen scheint, zum Abschluss bringen zu können. Darüber hinaus arbeite ich gemeinsam mit Christina Hansen und Benedikt Kuhn an einem Video für das Armen Avanessian & Enemies Next Wave Theater an der Volksbühne, das Ende Mai erscheinen soll. Darin beschäftigen wir uns mit Fragen des Wohnens, der Heimsuchung, des Haushalts.

Worum geht es in deinem Debutband Wer A sagt?
Wer A sagt ist für mich ein Album unterschiedlicher Texte, die sich mit dem Thema der Ornamentik im näheren und weiteren Sinne beschäftigen. Was passiert mit dem Blick, wenn er auf ornamentale Strukturen trifft? Wie lassen sich diese visuellen Eindrücke in Sprache übertragen? Und was bedeuten, was tun ornamentale Gestaltungsprinzipien wie Wiederholung, Symmetrie und Permutation in Sprache? Die entstandenen Texte sind Versuche, das herauszufinden. Sie hatten häufig konkrete Objekte wie ornamentale Teppiche, griechische Vasen oder Gemälde von Matisse zum Ausgangspunkt und bedienen sich regelpoetischer Verfahren ebenso wie sie Fragen nach der Perspektive im Text stellen: Was ist man? Wer ist ich?

Was bedeutet die Corona Pandemie für deine Arbeit?
Obwohl ich zu Beginn des ersten Lockdowns noch eine recht routinierte und produktive Phase hatte, fühle ich mich inzwischen wie ein uninspirierter Kartoffelsack. Ein Mangel an Erlebnissen und Eindrücken, an (informellem) Austausch, Bewegung und Arbeitsplatzwechsel wirkt sich nicht gerade anregend, sondern eher entfremdend auf das eigene Schreiben aus. Was mache ich da eigentlich? Was ich also während der Pandemie gelernt habe, ist, wie viel mehr Schreiben ist, als nur zu schreiben. Ich stelle mir neue Fragen: Wie will ich schreiben, wie will ich arbeiten? Wo? Mit wem? Wie lange? Mein Interesse an kollektiven und kollaborativen Formen des Schreibens ist gewachsen. Der einzelne Text, das Schreibprodukt, wird weniger wichtig als das Arbeiten selbst und das, was dabei rundherum so an- und abfällt.

Was planst du während des Stipendiums?
Wie gesagt hoffe ich, innerhalb der nächsten Monate meinen Petrarca-Band abschließen zu können. Die Zeit danach will ich v.a. dafür nutzen, darüber zu reflektieren, wie mein Schreiben in der aktuellen Situation aussehen könnte, was ich von ihm erwarten kann und will. Fragen, die mich die letzten Monate besonders beschäftigt haben, sind die nach Fürsorge und Pflege. Was bedeutet es, Nachbar*innen, Freund*innen, Kolleg*innen zu pflegen? Was bedeutet es, einen Text zu pflegen? Und wo kommt das zusammen? Wo gibt es einen Ort dafür? Während meiner Beschäftigung mit dem Ornament habe ich bereits viel über Raum und Interieurs nachgedacht. Intensiviert durch die Erfahrung von Quarantäne und Isolation richtet sich mein Interesse nun auf den Wohnraum als unsere »tierische Umgebung« und auf unsere intime Beziehung zu diesem Wohn-, Denk- und Arbeitsumfeld. Wie richten wir uns ein? Das Politische dieser Frage wird mir immer mehr bewusst. Wenn in der Wohnung als Werkstatt nicht mehr zwischen produktiver Arbeit und reproduktiver Versorgung und Fürsorge unterschieden werden kann, was bedeutet das dann nicht nur für die inhaltliche Behandlung des Themas »Wohnen«, sondern auch für die materielle Organisation des eigenen Schreibens? Mit diesen Fragen will ich mich im Anschluss an das Petrarca-Projekt gerne intensiver beschäftigen und bin gespannt, welche Schreibweisen und Texte daraus resultieren.

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